Im Jahr 2020 wurden 58 Projekte gestartet
und 21 Projekte konnten abgeschlossen werden.
Trotz des mehrmonatigen Stillstands waren
allein im Jahr 2020 37.121 Menschen
als Besucher*innen oder Teilnehmer*innen
an 740 Kulturjahr-Veranstaltungen beteiligt.
Im Jahr 2021 betraten 36 von 94 Projekten
erstmals die Kulturjahr-Bühne. Insgesamt waren
70 von 94 Projekten im Jahr 2021 aktiv. Die Veranstaltungen
wurden streng nach den geltenden Corona-Maßnahmen
durchgeführt.
Das Graz Kulturjahr 2020 als städtische Förderstruktur und breit angelegter Call zur urbanen Zukunft ist österreichweit eine bisher einmalige und zugleich viel beachtete Initiative. Der Beschluss des Gemeinderats der Stadt Graz sah dazu vor, dass das Kulturjahr nach „außen strahlen“ und nach „innen stärken“, also Graz als Kulturstadt sowie die Kulturlandschaft nachhaltig unterstützen sollte.
Es ist mehrfach erforscht, dass Kulturgroßprojekte sowohl nicht messbare (intangible) als auch klar messbare (tangible) Effekte nach sich ziehen. (1)
Die Beurteilung dieser Stärkungseffekte kann daher a) in ideeller, künstlerischer, also qualitativer Hinsicht erfolgen. Als
Maßstab kann dazu beispielsweise der Ausbau von künstlerisch-wissenschaftlicher Kollaboration sowie die Erschließung neuer Zuschauergruppen gelten. Oder aber b) in materieller und quantitativer Hinsicht. Hier wird Kultur als Wirtschaftsfaktor wahrgenommen. Dazu können Daten zur Umwegsrentabilität und Reinvestments bis hin zu Fiskaleffekten herangezogen werden. Um Wirkkraft von Programm und Dachmarkenstruktur zu untersuchen, begleitete daher von November 2019 an eine Marktanalyse das Kulturjahr. (2) In Fokusgruppengesprächen sowie einem Online- und Telefon-Befragungsmix wurde ein repräsentativer Bevölkerungsquerschnitt von kulturaffinen wie nicht kulturaffinen Bewohner*innen aller Bezirke sowie auch die involvierten Projektteilnehmer*innen befragt. Das Feedback der Bevölkerung auf die stattgefundenen Programmmonate konnte auch die kollektiven Erfahrungen zu Corona und den Lockdowns berücksichtigen. Die Projektverantwortlichen wurden ausführlich zu ihren Erkenntnissen und Erfahrungen sowie zu Aspekten der Umwegsrentabilität und Reinvestments befragt. (3)
Die Bevölkerungsbefragungen (4) bestätigen uns in der grundsätzlichen Kernidee und Programmierung des Kulturjahres als ein Festival in den Bezirken (Abbildung 1). Die Vielfalt des Programms und die Projektauswahl erreichten die Bevölkerung. Mehr als zwei Dritteln ist das Kulturjahr bekannt und über 70 % haben einen positiven Eindruck vom Programm. Befund: für die Menschen, die eine Kulturjahr-Veranstaltung besucht haben, ein schönes Erlebnis! Das sagten 81 % des Publikums mit der Ankündigung erneut eine Kulturjahr-Veranstaltung besuchen zu wollen. Bewertet nach diesem Besucherzuspruch war das Kulturjahr-Programm trotz Corona ein Erfolg! (Abbildung 2)
1. Vgl. beispielsweise das Input-Output-Modell STYR-I-O des Instituts für Technologie- und Regionalpolitik der Forschungsgesellschaft Joanneum Research (In: Zakarias e.a., Kunst und Wirtschaft. Graz 2003. Eine Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen; Graz-Wien 2002)
2. m(Research Marktforschung Merchandising Consulting GmbH (Projektverantwortlicher: Peter Maderl): Begleitende Marktforschung für Graz Kulturjahr 2020.
3. Ausgesendet wurde der Fragebogen an alle 94 Kulturjahr-Projekte. Die Rohdaten wurden gewichtet, um die Gesamtdaten repräsentativ für alle Akteur*innen zu berechnen.
4. Durchgeführt wurden die Bevölkerungsbefragungen im Juni 2019, im Februar 2020, im September/Oktober 2020 und im Juli 2021. Untersuchungsgegenstand waren Wahrnehmung und Eindrücke des Kulturjahres 2020 in einem Mixed-Method-Verfahren (Onlinebefragung + Telefoninterviews) unter 1000 Grazer*innen über 18 Jahren.
Dass Kultur auch und gerade in Umbruchzeiten größte Relevanz besitzt, haben Fragen zum Interesse an den Schwerpunktthemen des Kulturjahres sowie grundlegende Fragen zur Bedeutung von Kunst und Kultur bestätigt.
Das Graz-Kulturjahr-Programm reflektierte die drängenden Themen der Zeit.
Der während der Corona-Zeit noch gestiegene Zuspruch zum Thema „Arbeit von Morgen“ etwa (im Februar 2020 interessieren sich 73 % der Grazer*innen für dieses Thema, im Herbst 80 %) spiegelt die in der Krise gewachsene Bedeutung für den Alltag der Menschen wider.
Dass Kultur hier also keine „l’art pour l’art“- Orchideenbereiche besetzt, sondern die Anliegen der Menschen trifft, soll an dieser Stelle auch generell als ein Ausdruck von Systemrelevanz von Kunst und Kultur
als Ort für Reflexion und besonders zeitnahe Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Prozessen gewertet werden. (Abbildung 3)
92 % der Projektant*innen und 69 % der Bevölkerung sind davon überzeugt, dass das Kulturjahr 2020 einen Wirtschaftsfaktor für die Stadt Graz darstellt.
90,6 % aller Projekte wurden mit lokalen, also in Graz ansässigen Kooperationspartner* innen durchgeführt. Nur 6,7 % hatten keine/n Kooperationspartner*in. 95 % aller Lohnkosten (im Durchschnitt pro Projekt: € 27.296,27,–), die von den Projekten bezahlt wurden, blieben in Graz.
Mehr als 2/3 der Projekte sind der Meinung, dass ihre Kooperationen nur aufgrund des Kulturjahres entstanden sind.
Kultur ist Berufsfeld und Arbeitgeber. Einer aktuellen Studie des WIFO (österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung) zufolge wird unter Berücksichtigung der indirekten Effekte (Zulieferbetriebe, Tourismus,
Gastronomie etc.) eine jährliche Wertschöpfung für Kunst und Kultur in der Steiermark von 920 Millionen Euro erzielt, an der über 15.000 Beschäftigungsverhältnisse hängen.5
Österreichweit weist der Kultursektor eine Wertschöpfung von rund 9,8 Milliarden Euro aus (das sind rund 3 % der österreichischen Wertschöpfung). Das Kulturjahr hat eine Wirkkraft im Hinblick auf Wirtschaftsleistung und Arbeitsplatzsicherung. Die Netzwerkbildung, die künftige Arbeitsbeziehungen, auch international, eröffnet, kommt als zusätzliche Positivwirkung hinzu. Pro Projekt waren im Durchschnitt etwa 58 Personen involviert. 36,4 % aller Projekte hatten internationale Kooperationspartner*innen. Insgesamt kamen diese aus 63 verschiedenen Nationen.
5. Quelle: Pitlik Hans, Fritz Oliver, Streicher Gerhard: ökonomische Bedeutung der Kulturwirtschaft und ihre Betroffenheit in der Covid-19-Krise. Wien: Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung, 2020.
Das WIFO errechnete den wirtschaftlichen Schaden für die österreichische Kulturlandschaft durch die Corona-Pandemie auf 1,5 bis 2 Milliarden Euro.
Auch das Kulturjahr-Programm und die Projekte trifft es hart. Allgemeine existenzielle Sorgen und die immense Mehrarbeit aufgrund der diversen Umplanungen bestimmen in der Corona-Pandemie den Arbeitsalltag vieler Künstler*innen. Die gesicherte Kulturjahr-Förderung durch die Stadt Graz gibt in dieser Zeit einen gewissen Halt.
Wie hoch jedoch der Verlust an Sichtbarkeit der künstlerischen und wissenschaftlichen Leistung sowie der Zuschauerschwund sind, l sst sich nur erahnen. Danach befragt, ob Corona vom Kulturjahr-Besuch abgehalten hat, geben immerhin 65 % der Grazer*innen an, sie hätten coronabedingt weniger Kulturjahr-Veranstaltungen besucht, als sie geplant gehabt hätten.
Umso wertvoller wiegt die Aufmerksamkeit, die über die Dachmarke und die begleitende Medien- und Öffentlichkeitsarbeit erzielt werden konnte:
Laut Hochrechnung wurden potenziell bis zu 7 Millionen Menschen auf die Kulturjahr-Projekte aufmerksam, z.B. sind sie diesen auf ihren Alltagswegen im Grazer Straßenbild begegnet oder haben etwa über die Medien von den Kulturjahr-Projekten erfahren.
83 % aller Projekte waren öffentlich zugänglich bzw. standen im öffentlichen Raum.
81 % aller Projekte waren bei freiem Eintritt zu besuchen.
Über 4300 Abonnent*innen erreichte das Kulturjahr 2020 mit regelmäßigen Beiträgen auf den Social-Media-Plattformen Facebook und Instagram.
Die sogenannte Umwegrentabilität bildet die zusätzliche wirtschaftliche Wirkkraft von Kultur ab. Auch im Kulturjahr profitierten noch weitere Bereiche vom Besuch der Kulturjahr-Veranstaltungen:
Etwa 2/3 der Kulturjahr-Besucher*innen reisten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln an. 1/3 bis die Hälfte besuchte Cafes oder Bars. Von ca. 1/4 der Besucher*innen werden Restaurants oder Imbisse vor Ort aufgesucht.
20 bis 30 Euro wurden pro Veranstaltungsbesuch im Durchschnitt ausgegeben.