Die Arbeit des US-Klangkünstlers Bill Fontana im Kulturjahr 2020 hat eine Vorgeschichte, die man kurz in Erinnerung rufen sollte. Im steirischen herbst 1988, der sich erstmals intensiv mit der NS-Vergangenheit der Stadt auseinandersetzte, nutzte Fontana den Uhrturm als Ausstrahlungsort für kommunikative Signale aus der ganzen Welt. Die Nebelhörner, Bahnsignale und vor allem Affenlaute, die aus Militärlautsprechern in Richtung der ehemaligen Orte des nationalsozialistischen Tuns geschickt wurden, lösten heftige Diskussionen aus, die Politik ging auf Distanz, schließlich zerstörten Unbekannte das Werk.
„Mir ist im Gespräch mit Bill Fontana und mit vielen Menschen in Graz aufgefallen“, sagt Kunsthaus-Kuratorin Katrin Bucher Trantow, „dass die Arbeit damals für aufgeregte Diskussionen sorgte. Die Erinnerung an die ‚globalen‘ Klänge war noch immer sehr lebendig, ja geradezu eine melancholische. Man konnte sich an den lebhaften Diskurs, aber nicht so sehr an die zerstörerische Seite des öffentlichen Ereignisses erinnern.“
30 Jahre später und parallel zur Einzelausstellung von Bill Fontana zu einer nachhaltigen Verbindung von Technik und Natur plante das Kunsthaus die Reinstallation der Arbeit. Es galt zu überprüfen, welche Reaktionen die wiederkehrende Klangkulisse 30 Jahre später in der Stadt auslöst, die sich Problematiken wie der Klimakrise oder der Eventisierung von Innenstädten stellen muss. In diesem Rahmen wurde mit Partnerorganisationen aus dem Behindertenbereich, mit Radio Helsinki und den Stadtführer*innen ein Dialog über Geräusche im öffentlichen Raum initiiert.
In Ruhe hinhören
Am 12. März, zufälligerweise genau am ersten Tag des Lockdowns, starten die „Sonic Projections“ von Fontana. Die Klänge sind bis auf einige neue Elemente dieselben wie 1988. Allerdings kommen sie diesmal nicht nur vom Schloßberg, sondern auch vom Kunsthaus und stehen damit in einem Dialog. In weiser Voraussicht reduziert das Team rund um Katrin Bucher Trantow allerdings anfangs die geplante Frequenz und steigert diese erst peu à peu, um in der unübersichtlichen Situation nicht Anlass für gröbere Irritationen zu bieten. Überraschend ist letztlich, dass nach mehr als drei Jahrzehnten in einer deutlich beruhigten Atmosphäre die Reaktionen rundum positiv ausfallen. „Für die Arbeit war der Lockdown wahrscheinlich sogar von Vorteil“, sagt Bucher Trantow, „der stündliche Rhythmus hatte eine beruhigende Wirkung. Man hatte Zeit hinzuhören, sich einzulassen. Als wir sie dann beendet haben, haben sie viele sofort sehr vermisst.“
Fontanas genaue Ortsrecherche entdeckte im Keller des Kunsthauses eine Verbindung zur Mur, die im Brandfall eingesetzt wird und deren konstantes Plätschern den Künstler ebenso faszinierte wie der Klang der Glocken in der Innenstadt, aber auch die Folgen des Kraftwerkbaus. Die Bäume, die im Gebiet des Augartens unter Wasser gesetzt wurden und längerfristig wohl nicht überleben werden, ließen ihn nicht mehr los. So montierte er einen Schwingungsmesser am Stamm einer Weide, um die Geräusche aufzunehmen, die sie durchströmen. Sie sind Teil der Raumkomposition im Space 01 geworden, in der Klänge und Bilder aus der Natur und aus nachhaltiger Energieproduktion vereint werden.
Die Ausstellung im Kunsthaus konnte allerdings vorerst nicht eröffnet werden. Bill Fontana musste trotz fertig aufgebauter Ausstellung wieder abreisen. Erst im Sommer öffneten die Museen wieder ihre Tore. Als Erweiterung des Klangprojekts erforschten in dieser Zeit Menschen mit und ohne Hör- und Sehbeeinträchtigung ihre Wahrnehmungen der Stadt. Der steirische Künstler Heribert Friedl gestaltete daraufhin eine öffentliche Plakatserie, in der Brailleschrift neben Druckschrift gleichwertig zu finden ist.
Bleibt am Ende noch eine Frage: Was würde Bill Fontana wohl gern der Stadt Graz mitgeben? Katrin Bucher Trantow meint: „Ich sehe seine Arbeiten als Einladung zum Dialog und zum Miteinander. Das Zusammenführen von Mensch, Natur, Technologie und Kultur mit systemischem Denken, das ist ein Ziel seines Werks.“