Theaterverein meyerhold unltd.

DMP – DECISION MAKING PROCESS

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Sind Sie glücklich?

Um Entscheidungen, noch dazu in der Öffentlichkeit, geht es im Projekt „DMP – Decision Making Process“. Die oft konstatierte Spaltung in der Gesellschaft, die Herausbildung von „Filterblasen“ und die damit zusammenhängende Diskussionsverweigerung, all das thematisieren Renate Pittroff und Christoph Theiler vom Theaterverein meyerhold unltd. Letztlich scheint es heute bei vielen Entscheidungsprozessen nur mehr binäre Muster zu geben. Richtig oder falsch, schwarz oder weiß, null oder eins. Das war schon vor der Pandemie so, hat sich aber weiter verstärkt, sagt Pittroff. Ist Corona ein tödliches Virus oder eine harmlose Grippe? Schützt die Impfung oder macht sie krank? Werden wir manipuliert? Ja oder nein?

Der Zugang des in Wien ansässigen Theatervereins zu dieser Themenstellung ist ein origineller, fast könnte man ihn aktionistisch nennen. Passant*innen werden mit scheinbar einfachen Entscheidungsfragen konfrontiert. So standen etwa zur Wahl: „gläubig/ungläubig“, „arm/reich“, „gut/böse“, „glücklich/unglücklich“, „straight/LGBTQI+“, „migrantisch/einheimisch“, „männlich/weiblich“, erweitert durch aktuelle Fragen wie „Impfgegner/Impfbefürworter“ oder „Maskenträger/Maskenverweigerer“. Wie aber traf das Publikum seine Entscheidungen?

Im Bereich des Europaplatzes am Grazer Hauptbahnhof sollten Passant*innen zwischen zwei Spuren wählen, die mit einem Band abgetrennt und mit Schildern gekennzeichnet waren. So wurde der eingeschlagene Weg zur Positionierung, die Wahl der Spur zu einer sichtbaren Festlegung. Wobei Pittroff und Theiler nicht nach Motiven fragten, keine Erklärungen vorab gaben, keine Aufzeichnungen machten. Es geht nicht um quantitative Ergebnisse, sagen die beiden, sondern um das Sichtbarmachen täglicher Entscheidungsmuster. In seltenen Fällen konnte sich die eine oder der andere nicht festlegen. In vielen Fällen gab es Nachfragen, oft Diskussionen und nur sehr selten gröbere Aufregung. Und als doch einmal jemand lautstark die Sinnfrage stellte, kam eine Gruppe von Punks daher und sagte unverblümt: „Das ist Kunst, du Arschloch!“

Links oder rechts?

Am Vormittag und Nachmittag wurden jeweils andere Fragen gestellt, zuweilen fanden sich auch mehrere Entscheidungsprozesse hintereinander, die zu einer Art Slalom führen konnten. Gerhard Dorn, Sarah Klaunzer, Maria Leitgab und Margit Taibon-Lindheim vom Grazer Studierendentheater unterstützten das Projekt als Guides vor Ort. Warum aber gerade der Europaplatz, steckt hier eine subtile Botschaft in der Wahl der Örtlichkeit? „Nein“, sagen Pittroff und Theiler, „es war einfach der einzige Platz, für den wir vom Straßenbauamt eine Genehmigung bekamen.“ Soziologisch aber erwies sich der Ort als Glücksgriff, denn das Areal des Hauptbahnhofs ist ein offener, von vielen verschiedenen Gruppen frequentierter Raum.

Die Projekte des Theatervereins nutzen die Öffentlichkeit oder die virtuelle Bühne des Internets. Sie bewegen sich außerhalb definierter Kunsträume und sind nicht eindeutig einem Genre zuzuordnen. „Wir bekommen oft die Frage, ob unsere Projekte Kunst sind oder eine Aktion“, meint Theiler, „diesmal wollten vor allem viele wissen, ob wir eine Studie machen, etwas filmen. Aber das war nicht das Ziel.“ Was von DMP bleibt, sind Erkenntnisse. Etwa, dass es den Menschen leichtfällt, sich zwischen glücklich und unglücklich zu entscheiden, sie aber Fragen nach ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Religiosität äußerst ungern beantworten. „Ich habe mit weniger Diskussionen gerechnet“, resümiert Renate Pittroff, „da waren viele interessante Menschen, denen wir begegnet sind.“

Bleibt nur mehr eine Frage offen: Wie wollen Pittroff und Theiler in einer Stadt wie Graz leben? „Mit weniger Bubbles, mehr Freude an der Diskussion, weniger Zuspitzung“, sagt die Künstlerin. Und ihr Kollege Theiler ergänzt: „Ich wünsche mir auch, dass die Menschen den Blick wieder heben und nicht nur aufs Smartphone schauen.“

(c) Maria Leitgab
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  • (c) Christoph Theiler

  • (c) Margit Taibon-Lindheim

  • (c) Christoph Theiler

  • (c) Christoph Theiler

  • (c) Sarah Klaunzer

  • (c) Christoph Theiler

  • Christoph Theiler

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