Wie wäre es, wenn in Graz 2040 …
… das Rathaus in 8020 steht? … es am Jakominiplatz eine Streuobstwiese gibt? … in der Stadt keine Autos mehr fahren? … wir weniger Erwerbsarbeit leisten, dafür mehr Familien- und Beziehungsarbeit? … es Community Worker statt Ordnungswache gibt? … die Stadt energieautark ist? … Gleichstellung der Geschlechter Normalität ist?
Zukunftsfragen wie diese stehen im Mittelpunkt des Kulturjahr-Projektes von InterACT. Das Ziel des Vorhabens ist leicht erklärt: Junge Menschen entwerfen in einem Theaterlabor ihre Zukunft. Sie entwickeln szenische Entwürfe für eine Stadt, die sich in knapp zwanzig Jahren stark verändern wird. Leitlinie dabei sind die 17 SDGs (Sustainable Development Goals), die die UNESCO formuliert hat. Diese basieren auf Klimagerechtigkeit, sind auch in Sachen Ökonomie auf Nachhaltigkeit und soziale Entwicklung ausgerichtet.
Für das Kulturjahr hat InterACT mit „Graz 2040: Young People Acting“ ein Projekt konzipiert, das eine neu formierte Gruppe auf die Suche nach der Zukunft schickt. „Uns interessiert die Involviertheit der Menschen“, sagt InterACT-Leiter Michael Wrentschur, „daher war der Titel sehr bewusst gewählt. ‚Acting‘ heißt darstellen, schauspielen, aber auch handeln, im Übergang zu ‚activism‘.“ Bei der Planung war es wichtig, lokale Stakeholder*innen stark einzubinden. Vertreter*innen von NGOs, Stadtpolitiker*innen, Expert*innen aus der Verwaltung und der Wissenschaft waren in die Vorbereitungen involviert und standen im Anschluss an die Performances im Kristallwerk für Diskussionen zur Verfügung. „Bei den Politiker*innen hatte man den Eindruck, dass sie sich auf die Themen stürzen, wo sie sich zuständig fühlen und Resonanz erwarten. Die bevorstehende Wahl war da klar abzulesen“, resümiert Wrentschur. „Ich habe nicht den Eindruck, dass sie sich darüber hinaus inspirieren ließen. Wir wollen daher als Nachklang zum Projekt ein Graz-2040-Manifest verfassen. Außerdem planen wir für die Zeit nach der Gemeinderatswahl eine Wiederaufnahme, um auch die neu gekürten Verantwortungsträger*innen anzusprechen.“
Interessiert und enttäuscht
Und wer waren die handelnden Akteur*innen? 16 junge Menschen zwischen 20 und 25 Jahren meldeten sich, um an „Graz 2040“ mitzuwirken. „Es waren drei Motive, die dafür ausschlaggebend waren“, meint Wrentschur. „Interesse an der Zukunft der Stadt. Interesse an Themen rund um sozial-ökologische Transformation. Interesse an darstellender Kunst. Ein Drittel hatte bereits Vorerfahrungen mit Theater. Und fast alle hatten sich bereits vorher in irgendeiner Form engagiert. Spannend für mich ist, dass die meisten vor Beginn deutlichen Pessimismus zeigten, was die Zukunft angeht. Das hat sich während des Projekts teilweise geändert, auch wenn sie von der Langsamkeit der politischen Entscheidungen nach wie vor enttäuscht sind.“
Der partizipative Theateransatz von InterACT sieht vor, dass die Inhalte der Szenen maßgeblich von der Gruppe selbst erarbeitet werden. Daher wurden auch Probleme thematisiert, die bisher in Zukunftsdiskussionen zu wenig Beachtung fanden. Speziell gilt das für sexistische Übergriffe im öffentlichen Raum, die von den jungen Frauen der Gruppe vehement kritisiert wurden und die besser heute als morgen aus Graz verschwinden.
Was passiert noch in den kommenden 20 Jahren? Michael Wrentschur fasst die szenischen Visionen aus dem Projekt zusammen: „Irgendwann zwischen 2020 und 2040 hört der Bauboom auf. Der Modal Split zwischen Auto, Rad, Öffis und Fußgänger*innen ändert sich, das Auto wird unwichtiger. Dann gibt es den Bereich ‚Care‘, der im Sozialen wie im Ökologischen an Bedeutung gewinnt. Und es gibt mehr Bewusstsein für lokale Communitys, etwa in den Siedlungen. Es gibt Bürger*innenräte für die direkte Partizipation. Und der letzte große Kleiderkonzern hat Graz verlassen. Stattdessen gibt es wieder Manufakturen, deren Rohstoffe, wie Hanf oder Leinen, im Umland von Graz angebaut werden.“