Christoph Steiner und Yannick Steinkellner

GRAZER SLAMSOMMER

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Traurig schlägt lustig im Finale

 

Die Kist’n
I ruf zum Engelbert aufi:
Gib da Kist’n an Schupfer.
Und da Engelbert hat da Kist’n an Schupfer geb’n.
Der Strick, den i g’haltn hab, hat an Rupfer g’macht
und vor lauter Schreck hab i fest z’sammg’haltn.

Wal die Kist’n schwerer g’wen is als i,
bin i auf da oan Seit‘ aufi –
und die Kist’n is auf da ander’n Seit’n obi kumman.
In da Mitt’n samma z’samm kemman – die Kist’n und i.
(Pfarrer Matthias Keil)

 

Agnes Maier, Yannick Steinkellner und Christoph Steiner gründeten 2020 das Slam Kollektiv Graz. Die erste Veranstaltung der Gruppe war der „Etepetete Poetry-Slam“ im August 2020 im Rahmen des Kulturjahres. Er fand am Vorplatz der Herz-Jesu-Kirche statt. Auch 2021 findet der Slam wieder am selben Ort statt. Teilnehmen darf, wer immer sich als Poet*in versteht. Alle Sprachen und Stile sind beim Poetry-Slam zugelassen, das Publikum meist bunt gemischt. Diese Offenheit motiviert sogar den Pfarrer der Kirche, der sich mit dem oben auszugsweise zitierten weststeirischen Text versucht. Die Veranstaltung kommt – nicht nur wegen dieses außergewöhnlichen Auftritts – ausgesprochen gut an und bestärkt das Team, weiterzumachen. „Es war meine geheime Hoffnung, dass wir längerfristig etwas auf die Beine stellen können“, sagt Christoph Steiner. „Die erste Veranstaltung muss fetzen, die Leute müssen sagen: ‚Wow!‘ Und das ist gelungen!“

Nach dem ersten Slam 2020 kommt es zu einem längeren Showdown. Die geplante sommerliche Performance in der Auster wird verschoben. Mit vereinten Kräften gelingt es im August 2021 dann eine neue Veranstaltung zu organisieren, die wieder für viel positive Resonanz sorgt. Das Konzept im Freibad in Eggenberg: „Wer fliegt, springt!“ Wer mit dem eigenen Text im K.-o.-Duell vom Publikum rausgewählt wird, muss vom Fünfmeterturm springen. „Es waren alle einmal dran“, erzählt Christoph Steiner, „für die Leute ein großer Spaß. Aber ich muss aus eigener Erfahrung sagen: Es ist auch eine Überwindung.“

Die Offenheit des Zugangs bringt es mit sich, dass man bei jedem Slam zu Beginn erklärt, was es damit auf sich hat, welche Regeln gelten. „Man merkt, wenn das Publikum Vorerfahrungen hat, dann ist das Eis schnell gebrochen. Schließlich leben diese Events von der Interaktion. Während der Performance gilt: ‚Respect the poet!‘, sei aufmerksam. Aber ansonsten darf man lachen, man darf zwischendrin applaudieren, man kann während der Moderation auch etwas zwischenrufen. Deswegen bin ich kein Fan von Online-Formaten“, sagt der Schauspieler.

Und was ist inhaltlich zu hören? Die poetischen Auseinandersetzungen mit der Stadt kommen ohne rosarote Brille aus. Zumeist gehen die Slammer*innen von persönlichen Erfahrungen aus und bauen dann einen Text auf, der Kritik an den bestehenden Verhältnissen übt. Da geht es ums Radfahren im urbanen Raum, um die Unterschiede zwischen Land und Stadt bis hin zu Black Lives Matter und Rassismus im Alltag.

Wie wir nicht leben wollen

Auf die Frage, wie er selbst in einer Stadt wie Graz leben will, verweist Christoph Steiner auf die Abschlussveranstaltung des Kulturjahres auf den Kasematten: „Da wurden Fragen ans Publikum gestellt. Mir ist eine dieser Fragen noch gut in Erinnerung: ‚Würden Sie in einem Gebäudekomplex leben wollen, in dem es alles gibt, Schule, Nahversorgung, Arbeit?‘ Da wusste ich: Nein, das wäre für mich das Schlimmste! Ich möchte mich frei bewegen können in einer Stadt. Parks, Kulturveranstaltungen, Essen gehen. Dinge, die eigentlich für uns normal sind, die aber in der Pandemie wieder an Wert gewonnen haben.“

Am Ende wollen wir noch eines wissen: Wie entscheidet man einen Poetry-Slam für sich? Christoph Steiner meint: „Man sagt, dass sich ein guter Slam-Vortrag aus 50 % Performance und 50 % Text zusammensetzt. Am Anfang denkt man: Lustig gewinnt alles. Aber ich glaube, dass der beste traurige Text den besten lustigen Text schlägt.“

Ob heiter oder ernst, ob Auster oder Kirche, ob Winter oder Sommer:
Es wird weitergeslammt in Graz. Ganz sicher.

(c) Thomas Micheler
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  • (c) Lisa Rothhardt

  • (c) Thomas Micheler

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Das Kulturjahr 2020 wurde unterstützt von: