Antonia Manhartsberger, Bruna Diniz Afonso und Olgica Peric

PRESENT.IN.DIFFERENCE

Website
#Urbanismus    Darstellende Kunst Musik/Klangkunst

Tanz in den Lend

Zwei Tänzerinnen und eine Komponistin schließen sich zusammen, um in verschiedenen Stadtteilen von Graz mit Bewohner*innen zu sprechen. Dazu soll es ortsspezifische Tonaufnahmen geben. Auf dieser Grundlage will Antonia Manhartsberger ein Stück komponieren, das zwei akustische Ebenen bildet. Das Publikum befindet sich in der Mitte des Raums, die Tänzerinnen Bruna Diniz Afonso und Olgica Peric bewegen sich rundherum, treffen einander allerdings nie. Die Zuseher*innen können respektive müssen sich entscheiden, wem sie ihre Aufmerksamkeit schenken wollen. „Konzeptuell hätten wir damit eine Situation geschaffen“, sagt Antonia Manhartsberger, „die der realen ähnelt. Wir hätten Menschen versammelt, die zwar an denselben Orten waren, sich aber nie bewusst begegnet sind. Im Rahmen unserer Performances hätten sie sich kennenlernen und sich austauschen können über ihre unterschiedlichen Sichtweisen.“

Der Konjunktiv in dieser Beschreibung liegt, wie könnte es anders sein, an der Pandemie. Im Frühjahr 2020 wollen die drei Künstlerinnen mit ihren Aufnahmen beginnen, doch es herrscht Lockdown, alles ist ruhig. Zudem wäre es mehr als gewagt, in dieser Zeit fremde Leute auf der Straße anzusprechen. Im Sommer dann gelingt es, Straßenaufnahmen und Statements von Menschen im Bezirk Lend zu sammeln. „Es war interessant, weil wir sehr verschiedene und sehr überraschende Dinge gehört haben“, erzählt die Komponistin. „Zwei Gespräche sind mir besonders in Erinnerung geblieben. Ein Mann, der jeden Tag am Lendplatz ist und der gemeint hat, für ihn bestünde die Stadt ausschließlich aus diesem Platz. Es seien viele unterschiedliche Leute da und niemand würde fragen, wer woher kommt. Alle würden einander kennen, man sei wie eine große Familie. Und dann sprachen wir mit einer Frau, die genau das Gegenteil sagte. Für sie ist der Lendplatz ein Ort, um anonym zu sein.“

Die drei Künstlerinnen beginnen mit dem Material zu arbeiten, sie proben in einer großen Industriehalle in der Nähe des Bahnhofs. Allerdings kommt es in der Folge zu Verschärfungen, was Kulturveranstaltungen angeht. Erlaubt sind nur noch Aufführungen mit fixen Sitzplätzen, was dem Konzept zuwiderläuft. „Zuerst haben wir noch gedacht, wir warten ab, wann die Performances möglich sein werden, doch irgendwann war klar, dass es sich in dieser Form nicht mehr durchführen lässt. Es ist auch ein seltsames Gefühl, wenn man sich nicht mehr sicher ist, ob das, was man geplant hat, rücksichtslos ist oder jemanden gefährden könnte“, erzählt Antonia Manhartsberger.

Ein Film auf dem Dach
Damit nicht genug, nach einigen Wochen ist dann die Halle nicht mehr verfügbar und schließlich muss Olgica Peric, eine der Tänzerinnen, berufsbedingt aussteigen. Mit einer Tänzerin allein aber ist das Vorhaben nicht wie geplant umsetzbar. So kommt es zur Idee, mit Peter Hutter ein Video mit knapp 20 Minuten Länge zu produzieren. Mit Bruna Diniz Afonso werden Aufnahmen auf dem Dach des Kunsthauses und im Innenhof der Minoritenkirche gemacht. Es ist eine filmisch-tänzerische Auseinandersetzung mit dem Stadtteil Lend, seinen Bewohner*innen und seinem Sound. Ende September wird der Film im Volksgartenpavillon präsentiert, danach kann man ihn im Web auf den Plattformen tube.tugraz.at/beyond und tube.graz.social ansehen.

„Der Lendplatz als Ort der Diversität funktioniert gut“, fasst Antonia Manhartsberger ihre Eindrücke zusammen. „Gegenüber anderen Teilen des Lends gibt es allerdings Vorurteile. Viele haben erzählt, dass die Mur sehr wichtig ist, genauso wie die Parks. Und dass es ihnen zu laut ist. Beim Filmdreh habe ich gemerkt, wie lohnend es ist, in einer Stadt wie Graz arbeiten zu können. Sowohl das Kunsthaus als auch die Minoriten waren sehr offen und kooperativ unserem Vorhaben gegenüber.“

Mit der Idee von „present.in.difference“ wollen die Tänzerinnen und die Komponistin weiterarbeiten: „Es hat großes Potenzial sich zu überlegen, wie man Diskurse in Choreografien umsetzen kann.“

(c) Videostill present.in.difference
Scroll down
  • (c) Videostill present.in.difference

  • (c) Videostill present.in.difference

go topnach oben

Das Kulturjahr 2020 wurde unterstützt von: